Im ersten Auswertungsschritt stand die Frage der Populationsstruktur im Mittelpunkt: Gibt es so etwas wie “DIE bayerische Gams”? oder lassen sich die bayerischen Gamsvorkommen in mehrere Populationen einteilen, die beim Monitoring und Management gezielt berücksichtigt werden sollten?
In der Regel entstehen abgegrenzte Populationen dann, wenn der genetische Austausch (Genfluss) zwischen Individuen verringert ist. Der Genfluss wird einerseits durch die Landschaft, andererseits durch die Ausbreitungsfähigkeit der Arten beeinflusst. Für Unterbrechungen des Genflusses sind häufig Barrieren zwischen Habitaten ursächlich – beispielsweise Flüsse oder Täler, aber auch anthropogene Strukturen wie Straßen oder Siedlungen. Je länger die Trennung besteht und je stärker diese ausgeprägt ist, desto stärker unterscheiden sich die Populationen genetisch voneinander. Bestehen keine Barrieren zwischen geeigneten Habitaten, sind genetische Unterschiede zwischen Individuen meist auf die geographische Distanz zurückzuführen – denn die Entfernung zwischen zwei Individuen bestimmt, wie wahrscheinlich diese als Paarungspartner in Frage kommen.
Mit Hilfe der genetischen Informationen lässt sich untersuchen, wie ähnlich sich die erfassten Individuen sind: Je näher die Tiere miteinander verwandt sind, desto mehr Marker stimmen in ihren Ausprägungen überein. Hieraus können sowohl nahe Verwandtschaftsverhältnisse als auch großräumige Populationsstrukturen ermittelt werden. Ob und wie sich die Gamsvorkommen in Bayern in mehrere Populationen oder Untereinheiten einteilen lassen, wurde anhand sogenannter Zuweisungstests untersucht. Diese Tests schätzen mittels Bayesscher Statistik die wahrscheinlichste Anzahl an Gruppen (sogenannte “Cluster”), in die sich die Individuen auf Basis der Gendaten aufgliedern lassen. Dabei werden möglichst homogene Gruppen mit genetisch ähnlichen Individuen gebildet. Für die bayerischen Gamsvorkommen wurden zwei für die Populationsabgrenzung gängige Programme (STRUCTURE und Geneland) verwendet, die sich hinsichtlich ihres methodischen Ansatzes unterscheiden. Die gefundenen Cluster wurden anhand der Verortung der einzelnen Proben auf eine Karte projiziert, um die räumliche Verteilung der ermittelten Gruppen darzustellen. Für diese Gruppen wurde zusätzlich die Differenzierung berechnet, also die Stärke der genetischen Unterschiede zwischen den verschiedenen genetischen Gruppen.



